30.06.2025

„Theater darf auch Spaß machen“

Großartige Burgbühne-Inszenierung, tolle Schauspieler, tragende Musik, opulentes Setting: Standing Ovations bei vollem Haus für „Das Gespenst von Canterville“

Oberkirch (Gj). „Ich bin begeistert von der heutigen Premiere. Ihr wart brillant“, war eine unmittelbare schriftliche Besucher-Resonanz am Samstagabend an die Burgbühne. „Theater darf auch Spaß machen“, schrieb Regisseur Rob Doornbos im Programm-Vorwort – und es machte Spaß, wie er den 150 Jahre alten Klassiker von Oscar Wilde in der Fassung von Jürgen von Bülow in die Jetztzeit holte: tragisch, witzig, komisch.

Opulentes Bühnenbild mit Ahnenbildern, die einen schon das Grausen lehren, sorgfältige Kostümwahl (Sigrid Schweiker), dazu passende Maske und Perücken (Birgit Hellrung, Sepp Busam): Die Schauspieler füllten das Theatersetting mit Leben und ließen sich mit „großem Ehrgeiz und echter Leidenschaft auf den Stoff ein“ (Doornbos).

Der amerikanische Botschafter Otis (Arthur Hilberer), herrliches Zusammenspiel, wie er seiner deutlich jüngeren  und bestimmenden Gattin Lucretia  (Anna Milkova) nachstellt, hat die „Schrottimmobile“ Canterville Castle gekauft – günstig für den Lord  (stilecht: Jannis Just) und die Angestellten (Raphael Reimold, Joel Belmont), da das Schloss ständig weiterverkauft werden kann. Es spukt nämlich, denn seit Generationen vertreibt Sir Simon jeden neuen Besitzer, indem er „Hochqualität an Horror und Schrecken“  verbreitet. Inzwischen ist er auch nicht mehr alleine nachtaktiv, er wird unterstützt von Gespenster-Azubis (tolle Truppe: Marina Lacherbauer, Justine Haupt, Emily Kohler), reguliert vom Gespenster-Vorstand (Alexandra Kahlich, Christina Hoferer, Verena Zink). In einer herrlichen Persiflage über Regularien, Vorschriften wird konterkarikiert, was in Verbänden zu tun und zu lassen ist, wie Rivalitäten untereinander entstehen.

Stilecht fahren die Amerikaner mit ihrem beflaggten Gefährt auf die Bühne ein: Ehepaar Otis, die Influencer-Zwillinge, Rapper-Sohn Washington und Psychologie-Studentin Virginia. Die Otis-Kinder bilden einen ganz eigenen Kosmos: „Krass unterhaltsam“ die Zwillinge (Lena Teufel, Ella Noack), die schon verzweifeln, wenn sie sieben Minuten nichts von sich gepostet haben, beim despektierlichen Rapper (klasse: Lennard Boschert) zeigt sich sogar Empathie, und Virginia, die sich als einzige für die Geschichte von Sir Simon interessiert.

In der Nacht vor der Ankunft der Amerikaner hat Sir Simon extra die Ketten geölt, den Blutfleck in der Lobby aufgefrischt, aber wer kümmert sich schon um jahrhundertealte Geschichten und die Toten der Vergangenheit. Das ist ignorant und Gespenster-Mobbing der schlimmsten Sorte. Die Gefahr, als Gespenst abgesetzt zu werden, ist plötzlich für ihn ganz real: Das Problem des Älterwerdens zieht sich wie ein Echo durch die Aufführung. „Die Zeit verändert uns und sie konfrontiert uns mit der Frage, was bleibt: von unseren Gewohnheiten, unseren Träumen, unserem Stolz“(Doornbos). Und das nicht  nur bei Sir Simon, der damit kämpft, dass seine Aktionen weniger spektakulär sind, manchmal sogar verpuffen und belächelt werden, der Gespensterkörper nicht mehr so richtig mitmacht. Er ist festgehalten in seinem alten Selbstbild, während sich um  ihn die Welt verändert hat.

Erst im Gespräch mit der lebensklugen Virginia (sehr reif in ihrer Rolle: Xae Lanzillotti) kann der „lebensmüde“ Geist zu sich finden, auch seine Schuld gegenüber seiner Frau bereuen. Ausgehend von Virginia im Verbund mit ihrem Entertainer-Bruder, den Gespenstern, dem Lord und der resoluten Haushälterin (Vanessa Söllner-Kohler) formieren sie sich, Sir Simon zu helfen, seine Vergangenheit zu überwinden und sich selbst zu finden – Ingo Lachmann formidabel in der Titelrolle, glaubwürdig in allen Phasen der Entwicklung.

Passend zum  spielfreudigen Ensemble, in dem sechs Neulinge wunderbar integriert waren, in dem jeder passende Rollenidentifikation zeigt, prägte auch die Musik die Inszenierung. Komponist Magnus Reichel komponierte seine dritte Auftragsarbeit  für die Burgbühne –in enger Kooperation mit dem Regisseur: „Die Musik zieht sich von Orchester über Rap zu traditioneller Musik wie „Scarborough Fair mit Live –Gesang“ (Reichel). Beim Finale mit spektakulärem Schluss-Feuerwerk geht es durchaus in Richtung Musical. Nach langem Applaus  konnte Vorsitzender Thomas Wiegert Burgbühnler und Zuschauer zur obligatorischen Premierenfeier einladen.

weitere Vorstellungen: Fr. 4.7.+ Sa. 5.7.- 20 Uhr, So. 6.7.+ Mi. 9.7.- 19 Uhr, Sa. 12.7. 20 Uhr, So. 13.7. 19 Uhr, Fr. 18.7.+ Sa. 19.7. 20 Uhr, So. 20.7.+ Mi. 23.7. 19 Uhr, Sa. 26.7. und So. 27.7.2025, jeweils  20 Uhr im Garten des 's freche hûs in Oberkirch,

Kartenvorverkauf: www.ortenaukultur.de, Bürgerbüro der Stadt Oberkirch, 07802/82700, Geschäftsstelle der Mittelbadischen Presse.

Fotos: Johanna Graupe

Ein turbulentes, witziges und auch tiefgründiges Stück – gleichermaßen für Jugendliche wie für Erwachsene geeignet, feierte am Samstagabend Premiere